Wohlstand und Nachhaltigkeit

Gedankenaustausch mit Bundeskanzlerin Merkel

Gesprächsrunde im Kanzleramt, 27.10.2014
Rechte: Bundeskanzleramt / Steins

Das Verhältnis von Wohlstand und Nachhaltigkeit war Thema eines knapp 2-stündigen Gedankenaustausches, zu dem Bundeskanzlerin Angela Merkel sechs Vertreter aus Kirche und Gesellschaft am 27.10.2014 ins Kanzleramt eingeladen hatte, darunter Joachim Fetzer für das Deutsche Netzwerk Wirtschaftsethik. Die Aussprache, welche inhaltlich u.a. an die Enquete-Kommission „Wachstum, Wohlstand, Lebensqualität“ der vergangenen Bundestagsperiode anknüpfte, zielte nicht auf eine Beschlussfassung sondern auf einen Austausch von Expertise, Erfahrung und Gedanken. Entsprechend breit war auch die angesprochene Themenpalette. Diese reichte von Fragen des (christlichen) Menschenbildes über das Verständnis und die Messbarkeit von Wohlstand bis zur Frage, welche Einflussmöglichkeiten Politik und/oder Zivilgesellschaft haben (sollen), Menschen dazu zu motivieren, ihr eigenes Konsumverhalten zu hinterfragen oder sogar dauerhaft zu ändern?

 

Fetzer wies in seinen Voten u.a. darauf hin, dass vorangegangene Konsultationen im DNWE eines mit großer Einhelligkeit gezeigt hätten: dass es entscheidend sei, die Ergebnisse der Enquete-Kommission aufzunehmen und zeitnah eine sichtbare Abkehr von der Zentralstellung quantitativen Wirtschaftswachstums und seines Indikators BIP einzuleiten. Dabei sei es fast wichtiger, dass dies geschehe als wie es geschehe. Hierfür gäbe es unterschiedliche Präferenzen. Das jetzt vorhandene Zeitfenster dürfe nicht durch die aktuell stattfindende Detaildiskussionen über Zahl, Ausgestaltung und Messbarkeit von mehrdimensionalen Zielsystemen ungenutzt bleiben. Im Hinblick auf die internationale Einbindung wäre allenfalls noch abzuwarten, ob nicht doch die Post 2015-Agenda einbezogen werden könnte. Jedenfalls komme es – so Fetzer – auf ein Signal fuer einen echten Kulturwandel an, an dessen Ende wohl auch das Stabilitäts- und Wachstums-Gesetz überarbeitet, ersetzt oder abgeschafft werden müsse.

 

Anknüpfend an das Leitbild der „verantwortlichen Freiheit“ wies er darauf hin, dass die neuen Entwicklungen der Verhaltensökonomik - auch in der Politik viel beachtet - zwar eine wünschenswerte Ergänzung des Homo-Oeconomicus-Modells darstellten, aber letztlich den Menschen weiterhin als komplexen Reiz-Reaktions-Mechanismus verstehen: Gut geeignet für analysierende Forschung – nicht geeignet als normatives Leitbild in Politik, Wirtschaft und Gesellschaft.

 

Skeptischer als andere Teilnehmer des Gesprächs beurteilte Fetzer die Aufgabe des Staates, die Menschen zu einem veränderten Verhalten zu motivieren oder gar zu erziehen. Die Aufgabe der Politik sei es vor allem, die rechtlichen Voraussetzungen für nachhaltige Verhaltensmodelle zu schaffen. Beispielsweise liefen wohltönende Appelle für „mehr Teilen“ ins Leere, wenn für die „sharing economy“ die rechtlichen Rahmenbedingungen nicht vorlägen. Wer sein Auto mit anderen teilt oder andere (mit und ohne technische Unterstützung) regelmäßig mitnehme, kurze Pausen für ein paar Transportdienste nutze und dabei auch ein Entgelt bekomme, sollte sich nicht in einer rechtlichen Grauzone zwischen Nächstenliebe und unerlaubter Personenbeförderung, Nachbarschaftshilfe und Schwarzarbeit und auch nicht mit ungeklärten Haftungsrisiken wieder finden.

 

Weitere Themen des Gesprächs waren der Trend zu immer mehr Transparenz und die bleibende Notwendigkeit von Vertrauen verschiedener Akteure, die Verantwortung für künftige Generationen und deren Grenzen und die Frage unterschiedlicher oder doch vergleichbarer Vorstellungen vom guten Leben in unterschiedlichen Kulturen.

  

Zum Bild: Die Gesprächsrunde im Kanzleramt (v.l.n.r.): Joachim Fetzer (Vorstand DNWE), Ludwig Schick (Erzbischof von Bamberg), Andre Habisch (Universität Eichstätt-Ingolstadt), Bundeskanzlerin Angela Merkel, Marlen Thieme (Vorsitzende des Nachhaltigkeitsrates), Alois Glück (Präsident des Zentralkommittees der deutschen Katholiken), Ulrich Fischer (Altbischof und Mitglied im Rat der Evangelischen Kirche in Deutschland).

Rechte: Bundeskanzleramt / Steins

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